Über den Wolken
Will man Berlin von oben anschauen, denkt man natürlich zuerst an das höchste Gebäude von ganz Deutschland, den Fernsehturm am Alexanderplatz. Bereits seit fast 45 Jahren steht er mitten im Berliner Zentrum und ermöglicht eine Sicht auf Berlin aus 203,78m bzw. bei einem Getränk oder Essen aus 207,53m höhe. Mit Heute 368 Metern ist es das vierthöchste freistehende Gebäude Europas und mit rund 1,2 Millionen Besuchern jährlich zählt es zu den beliebtesten Sehenswürdigkeiten Deutschlands.
Heute denkt man nur noch selten an die 4 Jahre dauernden Bauarbeiten und damit verbundenen Probleme (u.a. Baubeginn ohne entsprechende Baugenehmigung). Aber mit dem Fernsehturm wurde nicht nur ein Wahrzeichen (früher eher politisch, heute einfach städtisch!) Berlins geschaffen, sondern auch die alte Stadtmitte geräumt. Im Rahmen der Idee eines „sozialistischen“ Platzes wurden die Straßen zu Fußgängerzonen umfunktioniert, da der Platz vollkommen vom fließenden Verkehr befreit werden sollte. Aber auch sonst befreite man die Gegend von allem, was die „Freiheit“ stören sollte (u.a. wurden die Ruinen der Georgenkirche und das Anfang der 1930er Jahre erbaute Minolhaus abgerissen), womit die bauliche Fassung und Umgestaltung des Alexanderplatzes im Sinne einer sozialistischen Stadtplanung fertiggestellt wurde. Die Platzfläche war mit 80.000 Quadratmetern mehr als viermal so groß wie vor dem Zweiten Weltkrieg (18.000 m²). Die ihn umgebenden breiten Straßen trennten den Alexanderplatz von den benachbarten Wohnquartieren ab.
Die Planung und konzeptionelle Ausgestaltung folgte dem Beispiel Moskaus. Ähnlich wie der Rote Platz war der Alexanderplatz als zentraler Kundgebungsort für Großveranstaltungen geplant. Der 125 Meter breite Straßenzug der Karl-Marx-Allee diente in Ost-Berlin als Aufmarschplatz für die alljährlichen Paraden der Streitkräfte im Rahmen der Feier der Gründung der DDR. Der Alexanderplatz war damit ein Beispiel für ideologisch beeinflusste Architektur in der Deutschen Demokratischen Republik. Der die unmittelbare Umgebung prägende Fernsehturm wurde im Zuge der sozialistischen Stadtplanung schließlich zum Ost-Berliner Wahrzeichen und einer, auch auf den Platz weisende, von weither sichtbaren Landmarke, das es als städtebauliche Dominante in dieser Form bisher in noch keiner anderen europäischen Innenstadt gab.
Erst nach der Wiedervereinigung verlor der Platz nach und nach seine politische Bedeutung – zuerst kehrte die Straßenbahn zurück, dann wurden neue Gebäude entworfen und gebaut, die dem Platz die alte Weitläufigkeit nahmen. Aber vor dem Roten Rathaus vermisst man heute immer noch den Geist der alten Zeit – der beliebte Neptunbrunnen stand ursprünglich auf der anderen Spreeseite vor dem Schloss, die Marienkirche – heute als Solitär auf dem Platz sichtbar, war früher vor lauter Mietshäusern umgeben… Vielleicht sollte man daran denken, wenn man das nächste Mal vom Turm herunterschaut und nichts als die Leere unter dem Bauwerk sieht...
Übrigens… auch das gibt es am Alexanderplatz: Im Jahr 1986 siedelte sich erstmals ein Wanderfalkenpaar am Alexanderplatz an. Die Vögel nutzen dabei den Fernsehturm als Sitzplatz für die Ansitzjagd. Der Ansitz befindet sich in 185 Meter Höhe an der südöstlichen Seite des Turms. Meist stürzen sich die Wanderfalken auf die nachts vorüberziehenden Vögel. Vom Ansitz aus können die Falken die Beutevögel über dem hell erleuchteten Alexanderplatz gut sehen. Bei Tag konnten die Falken bei der Insektenjagd um den Fernsehturm und beim Absammeln der Insekten von der Betonfläche mit Schnabel und Fängen beobachtet werden. Dem Greifvogelpaar dienen zum Brüten Nistkästen an der Marienkirche und am Berliner Rathaus.